Ein Ort für die letzten Tage des Lebens ist 25 Jahre alt geworden.
RICAM25
Unsere Dankbarkeit ist groß. Seit 25 Jahren hängen im Ricam Hospiz Fotografien, Aquarelle, Ölgemälde, Zeichnungen und Bilder mit unterschiedlichsten Techniken und Materialen. Am Anfang stellte die Schwägerin einer Pflegerin ihre Aquarelle zur Verfügung. Aus dieser Leihgabe ist längst eine Dauergabe geworden.
Seit Beginn dieses Jahrhunderts können wir nun auf eine lange Ausstellungsgeschichte zurück blicken. Der größte Dank geht natürlich an die Künstler*innen, die bereit waren ihre Bilder für einige Monate dem Hospiz auszuleihen und meist Transport, Hängung und Kosten selbst übernommen haben. Großer Dank gilt auch unseren Mitarbeiter*innen, die diese Ausstellungen möglich gemacht haben. Ihre Entdeckungen, die Verhandlungen und die Begleitungen der Vernissagen haben es möglich gemacht.
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Was bedeuten Kunstausstellungen im Hospiz?
Im besten Fall sind Bilder schön, sie gefallen und ich freue mich an ihnen. Wer nach einer Ausstellung an den leeren Wänden entlang geht oder einen Ausstellungswechsel erlebt, wird sensibilisiert für die Wirkung, die Kunst im Alltag hat. Die Stimmung und Atmosphäre verändern sich und sind wahrnehmbar, egal wie lange hingesehen wird. Bilder wirken! Das führt zum Innehalten, zu Gesprächen und zu Diskussionen. Über Kunst lässt sich streiten, das ist gut so.
Denn Hospizgäste, also schwerkranke Menschen, erleben die Kunst auf ihre jeweilige Art und Weise. Eine Frau freute sich, dass vor ihrer Tür die Fotographie ihres Lieblingstiers hing – wahrscheinlich aus der Ausstellung der Fotografin Renate Lorenz: Mit Tieren Aug‘ in Aug‘. Es gibt Gespräche über die Enttäuschung, wenn man mit den Bildern der folgenden Ausstellung nichts anfangen kann. Es geht im Hospiz nicht um in Watte gepackte Welten, wo alles nett sein soll, weil die Krankheit schon schlimm genug ist. Auseinandersetzung mit etwas Neuem und Ungewohnten kann die Krankheitsroutine für kurze Zeit unterbrechen. Wie oft habe ich gehört, wenn ich Hospizgäste zur Vernissage eingeladen habe, dass sie von Kunst keine Ahnung hätten und gar nicht mitreden könnten. Aber die Ermutigung, dass diese Künstler*innen genau an diesem Ort und für die Hospizgäste und die Mitarbeiter*innen ihre Bilder zeigen, ließ Menschen mutig werden und Fragen stellen. Tage danach waren sie noch beseelt davon, etwas Neues entdeckt zu haben, selbst wichtig genommen worden zu sein und mit den Künstler*innen im Gespräch gewesen zu sein. In manchen Bildern ließen sich über Wochen immer neue Details entdecken. Selbst im stressigen Alltag der Pflegenden ist die kurze Auszeit, wenn sie an den wunderbaren Farben des Lieblingsbildes vorbei kommen, von unschätzbarem Wert.
Zugegeben, auch ich habe Bilder gesehen, die ich furchtbar fand. Aber auch das habe ich letztendlich geschätzt. Weil ich mich gefreut habe, dass ich eine Wahl habe. Ich kann etwas lieben und anderes links liegen lassen. Wissen oder andere Meinungen verändern manchmal das erste Urteil. Das ist eine tolle Erfahrung.
Viel häufiger würde ich bestimmte Bilder behalten (wollen?). Da gilt es zu lernen, dass Abschiednehmen ein Teil unseres Lebens ist. Nur die Erinnerung bleibt, vielleicht ein Foto. Oder die Wiederbegegnung bei RICAM25: Einige Künstler*innen aus der Vergangenheit sind in der neuen Ausstellung wieder dabei.
Am Ende nochmal das Dankeschön an alle bisherigen und zukünftigen Künstler*innen, die uns ihre Arbeiten zeigen.
Mit den Künstler*innen freuen sich die Organisator*innen, wenn die Hospizgäste und Besucher*innen sowie die Mitarbeiter*innen Spaß an den Ausstellungen haben. Natürlich sind die Bilder zu kaufen.
Zu guter Letzt: Besucher der Ausstellung und der Vernissage sind im Hospiz willkommen. Das Hospiz ist ein lebendiger Ort, auch wenn wir die schweren Seiten des Lebens und Sterbens hier nicht verdrängen können.
Ausstellungsbesuche machen es möglich, ein Hospiz von innen zu sehen: Also herzlich willkommen!
Im Namen des Ricam Teams
Johannes Schlachter