Magazin

Praxisbericht Maximilian

Arbeitsauftrag Ricam Hospiz

Maximilian Frank

25.05.2020 – 21.06.2020

(Namen wurden verändert, bzw. Phantasienamen benutzt)

Seit Beginn der Ausbildung habe ich mich auf den Einsatz im Hospiz gefreut. Auch wenn die Freude groß war, war ich dennoch aufgeregt. Viele Fragen standen im Raum. Wie läuft ein „normaler“ Tag im Hospiz ab? Werde ich gut aufgenommen? Kann ich gut mit den Patienten und den Schicksalen umgehen? Kann ich empathisch sein und mich trotzdem abgrenzen?

Diese und viele weitere Fragen wurden schnell geklärt. Ich hatte nun schon einige externe Einsätze und noch nie wurde ich dermaßen freundlich in Empfang genommen. Mir wurde rasch das Gefühl vermittelt, dass sich die Mitarbeiter im Hospiz wirklich freuten, mich als Schüler dort begrüßen zu können. Mir wurden die Abläufe genau erklärt, die Räumlichkeiten gezeigt, und der erste Patientenkontakt ließ auch nicht lange auf sich warten. Nach nicht mal nach einem Tag fiel mir auf, dass die Arbeit im Hospiz ganz anders ist als die Arbeit im Krankenhaus. In der Klinik muss alles schnell laufen, ganz exakt und am besten ohne viel Kontakt und Zuwendung. Das ist meiner Meinung nach der größte Unterschied. Im Ricam wird wirklich jedem (Patient und Mitarbeitern) Zeit gegeben. Sich hinzusetzen und mit den Gästen zu sprechen, sich auszutauschen, miteinander zu lachen, zu singen oder zu weinen ist nicht nur in Ordnung, sondern auch erwünscht. Für mich war eine solche „Kleinigkeit“ wie sich mit „der Hexe“ (ein Gast wollte so genannt werden) hinzusetzen, zu sprechen und „Knack“ zu spielen, eine eindrucksvolle Erfahrung. Ich habe einfach gemerkt, dass es ihr total gut tat und mir ehrlich gesagt auch. Wir haben viel gesprochen, nicht nur über das Kartenspiel. Das Gespräch fiel auch ganz natürlich auf ihren Werdegang und auch auf ihr Schicksal. Auch die Gespräche mit Frau Pedderson, die mich nicht nur aufgrund ihres ehrwürdigen Alters begeistert hat, sondern auch, weil sie ein Buch geschrieben hat. Sich dieses mit ihr zusammen anzusehen und darüber zu reden war großartig. Erstaunlich, was ein Mensch in einem Leben alles erleben und aushalten kann. Die mit Abstand tiefgreifendste Begegnung hatte ich mit Herrn Ballhaus. Ich hatte seit dem ersten Moment das Gefühl, dass uns etwas verbindet. Die vielen Zigaretten auf dem Balkon und die Gespräche mit ihm waren toll. Er hat sich immer an mich erinnert und hat sich nach mir erkundigt, wenn ich frei hatte. Da hatte ich die Befürchtung, dass mir sein Tod vielleicht doch zu nah gehen würde. Als ich dann erfuhr, dass er gestorben ist, war ich seltsamer Weise sogar erleichtert, weil ich mir dachte, dass es einfach an der Zeit war. Hospiz ist für viele Menschen ein schrecklicher Ort. Ich habe für mich festgestellt, dass es ganz und gar nicht so ist. Ich denke, dass die Gäste hier teilweise noch einmal richtig ankommen können und sich wohl fühlen können und dürfen.

Die interdisziplinäre Zusammenarbeit ist mir auch sehr positiv aufgefallen. Die Schwestern und Pfleger auf Station, die Ärzte und Ärztinnen, die Sozialarbeiter, die Mitarbeiter der Küche, die Reinigungskräfte und alle Therapeuten haben einen Umgang untereinander den ich sehr bewundere. Allen voran die Kommunikation und die flachen Hierarchien.

Was die palliative Pflege angeht hat mich beeindruckt, dass wirklich alles gemacht wird für das Wohlergehen des Patienten. Alles machbare wird ermöglicht. Die Versorgung der Patienten liegt den Mitarbeitern sehr am Herzen, das merkt man schnell. Es wird viel beobachtet und immer wieder abgewogen, was demjenigen gut tut und was vertretbar ist. Die Erfahrung und die Art und Weise der Mitarbeiter sind hervorzuheben. Von der einfachen Versorgung mit Medikamenten bis hin zu der komplexen Behandlung von Wunden und Stomata ist alles dabei.

Das wirklich besondere ist, dass mit jeder Möglichkeit versucht wird, ganz speziell und individuell auf den Patienten einzugehen. Sei es das Essen (hierbei macht die Küche einen wirklich tollen Job), die Gestaltung des Tages, die Bedürfnisse eines jeden einzelnen, die Aufmachung der Zimmer oder das feine Gespür, ob jemand viel Zuwendung benötigt oder einfach auch mal Zeit für sich. Die Mitarbeiter wussten stets alles zu den Patienten, ob nun aktuelles oder was im Leben derjenigen vorgefallen ist. Was meiner Meinung nach auch dazu führt, dass sich alle so wohl fühlen.

Mit dem ersten Moment, in dem ich das Hospiz betreten habe, war mir klar, dass man sich hier wirklich wohl fühlen kann. Die Aufmachung des ganzen Hospizes wirkt eher wie ein Wohnzimmer als eine medizinische Einrichtung. Die Zimmer können mitgestaltet werden, persönliche Sachen wie Bilder können aufgehängt werden. Die Räumlichkeiten würden es ja durchaus erlauben, die eine oder andere Sache zusätzlich durchzuführen. Wie wäre es mit gemeinsamen Filmen im Wintergarten, gemeinsamen Spielen oder Lesungen, natürlich nur für alle, die Lust haben.

Auch schön fände ich die Vorstellungen von gemeinsamen Gesprächsgruppen. Feste Zeiten draußen auf der Terrasse oder im Wintergarten.

Der Umgang mit den Angehörigen ist, wie ich mitbekommen habe, auch sehr wichtig. Fast rund um die Uhr ist jemand da. Auch sie sind sehr unsicher, wie sie mit der Situation umgehen sollen, und da greift wieder der gute Umgang der Mitarbeiter mit solchen Situationen. Immer für ein Gespräch bereit, um mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. Hier besteht vielleicht auch die Aufgabe: Den Patienten und den Angehörigen die Angst etwas zu nehmen und sie langsam an die Situation heranzuführen.

Was die Rituale angeht, konnte ich leider noch nicht so viel erleben. Nichtsdestotrotz wurde mir schon einiges erzählt und berichtet, wie man verschiedenste Dinge im Hospiz handhabt.

Die Vorstellung, dass man den Patienten auf seinem letzten Weg im Sarg noch hinaus begleitet, finde ich sehr schön. Das Zimmer und den Leichnam herzurichten und es so angenehm und würdevoll wie möglich zu gestalten, finde ich extrem wichtig. Welches Ritual ich schon miterleben durfte ist, wie ihr/wir euch/uns alle von dem Patienten verabschiedet habt/haben. In solch natürlicher Art und Weise wurde über den Gast gesprochen. Jeder der wollte/konnte hat noch ein paar nette Worte gefunden und sie in der Gruppe ausgesprochen. Eine Kerze wurde angezündet und nach der Schweigeminute wurde selbige dann ausgepustet, was für mich viel Symbolkraft hatte.

Meine Zeit bisher im Ricam Hospiz war äußerst bereichernd für mich. Noch habe ich zum Glück einige Dienste vor mir, doch schon jetzt weiß ich diesen Einsatz sehr zu schätzen. Das Thema Tod und sterben ist viel zu sehr tabuisiert in unserer Gesellschaft, und ich empfinde es als sehr positiv, dass hier so ganz anders damit umgegangen wird. Gefühle nicht zu verstecken, sondern gezielt einzusetzen und auch auszuleben. Ich habe hier Leute lachen sehen, ich habe sie weinen sehen. Nachdenkliche Momente, unbeschwerte Momente…alles war zur Genüge da und wird mir für immer im Kopf bleiben.

Ich bin sehr froh und dankbar, dass es solche Einrichtungen gibt und Menschen, die dort arbeiten und dem einen oder anderen Patienten einfach noch eine tolle und angenehme Zeit bereiten können. In dem ein Raum geschaffen wird, wo man sich bewusst mit dem Tod auseinandersetzen kann, aber auch Freude und Spaß empfinden kann.

Ich möchte mich schon mal auf diesem Wege für die tolle Zeit bei euch bedanken, für die warme Aufnahme meiner Person und vor allem für eure Arbeit.

Hoffentlich kreuzen sich unsere Wege eines Tages wieder.

 

Maximilian Frank