Magazin

Praxisbericht Lisa-Marie

Einsatz-Reflexion

Verfasst von: Lisa-Marie Heitz

10. Juni 2020

Einsatz im Ricam Hospiz Delbrückstraße

Meine Erfahrungen vom 11.05. bis 14.07.2020

Als ich mich am Morgen meines 1. Arbeitstages auf den Weg machte war ich schon gespannt, was mich wohl erwarten würde und ob ich die positiven Hospizeindrücke der anderen Auszubildenen bestätigen können werde. Unbehagen bezüglich der Thematik „Sterben“ hatte ich jedoch keines. Vielmehr freute ich mich darauf, endlich einmal mehr Zeit für Patienten zu haben und Pflege ganz intensiv, ohne Zeit- und Strukturdruck, nicht nur medikamentenfokussiert, sondern mit Individualität gestalten zu können!

Zugegebenermaßen habe ich bei einem Gebäude an der Hermannstraße mitten in Berlin-Neukölln nichts Umwerfendes erwartet. Doch als ich dann im 5. Stock aus dem Fahrstuhl trat kam ich aus dem Staunen förmlich nicht mehr heraus! Ich wurde nett von Sven empfangen und etwas herumgeführt. Und eure lichtdurchflutete, freundliche Einrichtung ist wirklich wunderschön! Zudem diese tolle Wohnküche und natürlich das ganz besondere Highlight – die Dachterrasse… Da musste ich mich schon etwas zusammenreißen, nicht gleich nach einer Anstellung zu fragen, sondern erst einmal das eigentliche Arbeiten und Team kennen zu lernen 😊.

Eingearbeitet wurde ich dann von Jürgen. Er zeigte und erklärte mir alles sehr ausführlich und mit einer Ruhe, die ich vom Stationsalltag überhaupt nicht gewohnt bin. An dieser Stelle möchte ich euch ein Lob für euer gutes und vor allem strukturiertes Einarbeitungskonzept neuer Auszubildender geben. Jürgen schien einen genauen Plan zu haben, was er mit mir im Rahmen eines Erstgespräches besprechen muss, welche Formulare wir durchgehen müssen und wie ich sogar an einen eigenen Komda-Zugang (das digitale Pflegedokumentationssystem) gelange.

Der erste Eindruck war also durchaus positiv!

Und so sollte sich mein Einsatz auch weiterhin gestalten. Ich habe es sehr genossen, eigenverantwortlich Patienten mit all der Zeit und Individualität, die ich für angemessen hielt, betreuen zu dürfen. Ich konnte viel durch euer Vertrauen hinsichtlich der selbständigen Pflegemaßnahmen und eure Erklärungsbereitschaft lernen, Sicherheit bei spezieller Pflege (z.B. TK-, PEG- oder AP-Versorgung) erlangen und ganz Neues (z.B. therapeutische Einreibungen mit Ölen) kennenlernen. Ich hatte das Gefühl, „richtig pflegen zu dürfen“ und nicht nur Medikamente auszuteilen. Denn Mithilfe eurer Ressourcen, der Zeit und Wertschätzung war es möglich, z.B. für Patienten durch Gespräche da zu sein, Vertrauen zu schaffen und zu erkennen, was sie gerade beschäftigt. Ich durfte den Menschen, für den ich da sein wollte, kennen lernen. Ich konnte erkennen, dass ich ihm durch bloße Anwesenheit teilweise mehr schenken kann, als es ein Medikament vermag. Ich konnte den Menschen Lebensqualität schenken, indem ich einen Patientenlifter oder die Aufstehhilfe nutzen und so das im Stuhl und z.B. in der Sonne Sitzen ermöglichen konnte. Anthroposophische Mittel (z.B. die Öle) konnten effektive somatische Wirkung ohne die üblichen Arzneimittelnebenwirkungen bewirken oder auch einfach Wohlbefinden und Entspannung schenken.

Aber ihr seid ja nicht nur eine Einrichtung zum umfangreichen, individuellen Pflegen, sondern ihr seid ein Hospiz – bei euch sterben Menschen.

Die allgegenwärtige, im Raum liegende Akzeptanz des Todes war ein irgendwie schönes Gefühl. Auch wenn es durchaus bedrückende Situationen gab, in denen sich mit Trauer, Wut oder Sehnsucht mit dem Sterben auseinandergesetzt wurde, stellte der Tod kein medizinisches Versagen, sondern einen natürlichen Teil des Lebens dar.

Leider hatte ich lange Zeit meines Einsatzes keine Gelegenheit, den präfinalen Prozess bis zum Tod zu begleiten. Es hört sich vielleicht etwas makaber an, aber diese Erfahrung hatte ich mir eigentlich für den Einsatz gewünscht. Die Patienten fanden den Tod immer in anderen Schichten. In meiner vorletzten Woche habe ich dann doch eine Totenversorgung durchführen und einen anderen präfinalen Patienten begleiten dürfen. Für mich waren das sehr eindrückliche, aber schöne Erfahrungen! Denn bei euch kann man das mit Ruhe, Anwesenheit und Zeit auf eine ganz liebevolle Art und Weise tun – nicht in all der Hektik eines Krankenhausalltags noch schnell nebenbei und gefühlt menschenunwürdig.

Deshalb bleibt mir zum Schluss nur dankbar zu sein!

Dankbar dafür, den Tod auf diese Weise kennen zu lernen. Dankbar für die Zeit und Zuwendung, die ich schenken und erfahren durfte. Dankbar für den Wissenszuwachs und das Kennenlernen neuer z.B. anthroposophischer Mittel sowie einer „natürlichen“, individuellen Pflege.

Dankbar für ein Team, das mich herzlich und vor Allem mit Wertschätzung anstelle einer Hierarchie integriert und angeleitet hat.

Und wer weiß, vielleicht sieht man sich ja irgendwann als Kollegen wieder?

Bis dahin wünsche ich euch von Herzen alles Liebe, Kraft, Zufriedenheit und, dass jemand so liebevoll für euch da ist, wie ihr es für eure Patienten seid!

Eure Lisa