Wenn wir davon sprechen, dass unsere ehrenamtlichen Mitarbeiter*innen kranke Menschen regelmäßig zu Hause besuchen, ihnen quasi Zeit schenken und für sie da sind schauen wir nicht selten in fragende Gesichter: Was passiert bei diesen Besuchen eigentlich? Damit das ein wenig „greifbarer“ wird, zitieren wir an dieser Stelle aus den Rückmeldungen, die wir von unseren ehrenamtlichen Mitarbeiter*innen erhalten.
Jana
»…Herrn C. war ein liebenswürdiger Mensch, der Hilfe nicht gern annahm, es dann aber doch zulassen musste, zwischendurch versuchte, mir türkisch beizubringen, resigniert aufgab, mich verärgert wegschickte und dann doch wieder – wohlwollend – meine Unterstützung annahm.«
Dirk
»… Das zweite Treffen, nachdem wir gegenseitig ausgesprochen haben, dass wir es uns gut miteinander vorstellen können. Kleines Schränkchen für Frau A. zusammen gebaut. Sie ist in guter Verfassung.« Zwei Wochen später: »… Frau A. ist in guter, aufgeräumter Verfassung; bittet darum, sich nicht immer formell gegenüber zu sitzen und zu sprechen, sondern in Bewegung zu bleiben, zusammen Zeit in der Wohnung zu verbringen. Repariere ein unvollständig zusammengebautes Möbelstück für sie und wir planen weitere ‚Handwerker-Dienste‘.« Eine Woche später: »Frau A. in schlechter Stimmung, weil sie sich körperlich unwohl fühlt. Lockerer Austausch über ganz verschiedene Themen bringt merklich Besserung der Laune. Repariere ein Möbelstück und begleite sie zum Einkaufen…«
Werner
»… Mein erster Besuch: Abholen der Partnerin in Schöneberg, wegen der enormen Hitze. Fahrt in die Wohnung der beiden nach Neukölln. Gespräch über ihre Sorgen und Nöte sowie über ihn. Sie ist mehr der ‹aufgeregte Typ›. Dann zuhause: Herr W. saß in der Küche, Unterhose und offene leichte Jacke. Brandflecken auf der Brust, von der Strahlentherapie? Wir saßen dann im Wohnzimmer. Schreiben ist sehr schwer für ihn, weil er offensichtlich Rechtshänder ist – diese Seite ist durch den Schlaganfall sehr eingeschränkt. ‹Telefonische Kommunikation› geht über WhatsApp am einfachsten, weil er dann mit links nur Buchstaben eintippen muss. Mir scheint, er trägt alles mehr mit Gleichmut. Er ist ein ‹feiner Kerl›, macht einen recht kultivierten Eindruck. Er ist Österreicher aus der Steiermark. Da meine Familie ursprünglich auch aus Österreich kommt hatten wir gleich einen Anknüpfungspunkt. Und wir haben uns für Montag wieder verabredet – unter vier Augen. Es schien ihn zu freuen. Alles in allem eine spannende Herausforderung.«
Daniela
»… Heute habe ich auch den Sohn und die Schwiegertochter von Herrn E. kennen gelernt sowie deren Hund … Die Schwiegertochter hat dann die Wäsche gemacht. So saßen wir dann zu viert – der Sohn war wieder gegangen – zusammen und hatten eine lebhafte Unterhaltung.« Fünf Wochen später: »Herr E. ist kaum noch präsent, liegt abwesend in seinem Bett. Er ließ zu, dass ich seine Hand halte, hat es auch sichtlich und spürbar genossen. Es gab auch noch einen Moment, wo er präsent war und sein Humor in den Augen sichtbar wurde. Als ich ging, habe ich mich gefragt, ob ich ihn noch einmal wieder sehen werde.« Vier Tage später: »… Herr E. ist heute im Hospiz verstorben.«
Maria
»… Herr K. hat von der Ärztin die Nachricht erhalten, dass er morgen ins Hospiz umzieht. Er ist sehr dankbar für die Entlastung seiner Familie und freut sich, dass so gut für ihn gesorgt wird. Er hat die Entscheidung selber getroffen und nimmt sein Sterben an. Wir hatten gestern eine sehr schöne Zeit. Er erzählte viel, war gelegentlich zu Scherzen aufgelegt, sprach von seinen Reisen. Manches war unverständlich, aber der größte Teil war ein sehr angeregtes Gespräch. Ich werde ihn nun im Hospiz besuchen.« Zwei Tage später: »Herr K. hat über 25 Jahre im Chor gesungen. Der Chor möchte ihm und seiner Frau eine Freude machen und für sie während der nächsten Chorprobe singen. Dazu wird ihn jemand aus dem Chor über sein Handy anrufen.« Etwas später: »Der Chor hat die Lieblingslieder von Herrn K. und seiner Frau über das Handy gesungen. Große Freude und Bewegtheit bei beiden und im Chor.«
Elisabeth
»Theaterbesuch. Schön, aber sichtlich anstrengend. Gespräche davor, in der Pause und auf dem Nachhauseweg. Es geht auch viel um die belastende Situation mit ihrem Ex-Lebensgefährten und viele Pläne, unter anderem Erledigungen, Krankenhaus-Aufenthalt und eine Reise.« Drei Tage später: »Telefonat wegen einem eventuell weiteren Theaterbesuch. Nach etwas hin und her beschließen wir, diese anstrengende Unternehmung sein zu lassen und uns lieber auf einen Kaffee oder ähnliches zu treffen.«
Werner
»Mein erster Besuch heute bei Herrn K. im Pflegeheim. Die Schwester stellte mich vor. Er war mehr irritiert. Sein Zustand: 90 Prozent der Zeit sehr müde und schläfrig. Eine klassische Kontaktaufnahme zwischen uns war nicht so einfach. Zwischendurch wachte er und hatte so eine Art Klarblick – ein Blick nicht im Raum, sondern eher ‹weit über alles hinaus›. Insgesamt war er schwer verständlich. Aber es gab auch wenige Ausnahmen. Er sagte: ‹Es ist schwer› – und das war auch spürbar und konnte ich mitfühlend bestätigen. Und: ‹Mein Kopf ist leer!› Ich habe mich auf wenige direkte Ansprachen beschränkt wie z.B. die Frage nach dem Beruf seines Vaters (ich dachte, daran wird er sich erinnern können). Er wusste es aber nicht mehr. Nach einer knappen Stunde sagte er recht klar, ich soll jetzt gehen, er sei müde und wolle schlafen. Mein Eindruck: Seine Krankheit schreitet vielleicht stark fort. Die Schwester fragte mich nach dem Besuch, wie es mir ergangen war.« Drei Wochen später ist Herr M. verstorben.
Jede Begleitung ist individuell, jede eine neue Herausforderung – mal mehr, mal weniger. Der erste Einsatz ist besonders aufregend, aber das erste Treffen, das Kennenlernen, bleibt auch noch nach Jahren immer ein spannender Moment. Wir wissen nie, wieviel Zeit bleibt, um eine Beziehung aufzubauen. Daher ist jeder Besuch kostbar. Und am Ende steht immer ein Abschied.
(Anm. d. Red.: Die Namen sind aus Datenschutzgründen redaktionell geändert, damit keine Rückschlüsse auf Patienten möglich sind)