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Ehrenamtskoordinatorin Margrit Rosenberg

Wie bist Du ins Ricam gekommen und seit wann arbeitest Du schon dort?

Seit März 1999 bin ich im Ricam Hospiz beschäftigt. Davor habe ich lange als Krankenschwester gearbeitet, bis ich den Beruf aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausüben konnte. Deshalb habe ich dann eine Umschulung für Büroorganisation gemacht. Im Zuge dieser Umschulung absolvierte ich ein Praktikum im Ricam Hospiz und war im Anschluss hier ehrenamtlich tätig. Während dieser Zeit wurde eine Bürostelle im Ricam frei und mein großer Wunsch eine Festanstellung zu bekommen, ging in Erfüllung. Mich haben der Hospiz-Gedanke und die Arbeitsatmosphäre sehr begeistert.

Ich arbeite seit acht Jahren als Koordinatorin für Ehrenamtliche Mitarbeiter_innen im stationären Ricam Hospiz. Davor hatte ich zwei Jahre lang als Ko-Koordinatorin im ambulanten Bereich einen Stellenanteil von 25% neben meinen anderen Aufgaben.

Schon als Krankenschwester waren Hospize und die Arbeit dort für mich ein Thema. Leider gab es zu der Zeit in Berlin noch kein stationäres Hospiz und die ambulante Hospizbewegung war noch ziemlich unbekannt, an SAPV-Versorgung wie heute gar nicht zu denken.So habe ich es als Krankenschwester in der häuslichen Krankenpflege oft als großes Defizit empfunden meinen Patient_innen nicht richtig helfen zu können, wenn sich ihr Lebensende abzeichnete. Ein Vortrag von Elisabeth Kübler Ross, ca. 1994, hat mich dann vollends überzeugt.

Beim Arbeitsamt, als es um meine berufliche Neuorientierung ging, saß dann zufällig eine Frau neben mir, die gerade im Ricam Hospiz als Krankenpflegerin anfing. Sie sprach ganz begeistert von der Gründung des ersten stationären Hospizes in Berlin Neukölln und der Funke sprang sofort auf mich über.Dadurch bin ich darauf gekommen, mich dort für ein Praktikum zu bewerben. Ob es nun Zufall war oder Fügung, ich bekam meine Praktikumsstelle.

Für mich ergab sich auch die schöne Möglichkeit über die Bosch Stiftung in die USA, nach New York, zu fahren um zu erfahren, wie Ehrenamt in den USA organisiert wird. Das hat mich sehr beeindruckt und mir eine Richtung gegeben. Es war sehr interessant für mich zu sehen, wie etabliert Ehrenamt in den USA ist. Dort ist praktisch jede Person in einem Ehrenamt tätig. Das gehört sozusagen zum guten Ton. Spannend war es auch zu sehen, was Koordinator_innen dort alles machen und anstoßen.Angeregt davon, habe ich in Berlin an der Wannsee Akademie die Ausbildung zur Koordinatorin gern mitgemacht, als mir meine Chefin vorschlug, die Ehrenamts-Koordination bei uns zu übernehmen.

Wie viele ehrenamtliche Mitarbeiter_innen arbeiten im stationären Hospiz?

Es sind ca. 60 Mitarbeiter_innen. In den letzten acht Jahren haben sich dabei verschiedene Tätigkeitsbereiche herauskristallisiert, gefunden und etabliert. Das Ehrenamt ist auch stabiler geworden, die Mitarbeiter_innen bleiben länger und ich habe einen klareren Blick dafür entwickelt, wer zu uns passt und in welchem Bereich sich die Person einarbeiten könnte.

Du hast von verschiedenen Tätigkeitsbereichen gesprochen, welche sind das?

Im Ricam Hospiz arbeiten unsere ehrenamtlichen Mitarbeiter_innen in der Patientenbegleitung, übernehmen Sitzwachen am Bett von Patient_innen, helfen in der Hauswirtschaft mit (Küche und Reinigung) oder sind im Empfang präsent. Das Flower-Power-Team pflegt und pflanzt die Blumen und Pflanzen auf den Terrassen und die Pflanzen im Innenbereich erleben individuelle Pflege durch eine ehrenamtliche Mitarbeiterin, die sich zweimal wöchentlich um deren Wohl kümmert.

Viele Ehrenamtliche führen Veranstaltungen durch (Lesekonzert, verschiedene Feste, Weihnachten, Gedenktag) und helfen beim Auf- und Abbau. Ehrenamtliche grillen und bereiten Speisen vor und sie backen Kuchen für diese Veranstaltungen oder auch für den täglichen Bedarf. Auch in der Öffentlichkeitsarbeit, für und auf dem Weihnachtsmarkt und im Freundeskreis des Ricam Hospizes sind Ehrenamtliche aktiv. Auch Ehrenamtliche, die nicht direkt in der Begleitung von Patient_innen arbeiten, haben immer auch Kontakt zu ihnen oder deren Angehörigen.

Was beinhaltet Dein Tätigkeitsfeld? Wie sieht so ein Arbeitsalltag bei Dir aus?

Ich bearbeite jeden Tag Bewerbungen für eine ehrenamtliche Tätigkeit. Ich versende den Fragebogen, lese ihn mir durch, mache Termine für Vorstellungsgespräche, kläre die Erwartungen, schätze zusammen mit der interessierten Person die Möglichkeiten ein, benenne die möglichen Bereiche, suche eine Patin aus der Pflege oder andere fest angestellte Mitarbeiter_innnen oder Ehrenamtliche für die Schnuppertage und die Einarbeitung.

Ich bin ansprechbar für alle stationären Ehrenamtlichen, manchmal nur auf dem Flur, manchmal mit Termin, manchmal für die Reflexion der Arbeit, manchmal um bei Konflikten zu vermitteln. Letzteres kommt zum Glück sehr selten vor.

Dann mache ich noch die Dienstplanung für die ehrenamtlichen Mitarbeiter_innen, die Einarbeitungsplanung und moderiere die monatlichen und zusätzlichen Ehrenamtstreffen und das Abschiedsritual für die Verstorbenen der letzten vier Wochen.

Ich organisiere Konzerte rund ums Jahr, zweimal monatlich, die uns die Künster_innen ebenfalls ganz ehrenamtlich schenken. Über die Jahre sind dabei gute Kontakte gewachsen.

Außerdem bin ich so eine Art Scharnierstelle zwischen Haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiter_innen. Ich gebe Informationen weiter, zum Beispiel in der Organisation von Sitzwachen, nehme an beiden Treffen (Teamsitzung vom Hauptamt, monatlichem Ehrenamtstreffen) teil um die jeweiligen Anliegen ins andere Team zu bringen.

Nicht leicht fällt es mir, Bewerbern abzusagen, wenn ich den Eindruck habe, dass die Vorstellungen über die Tätigkeit sehr weit auseinandergehen. Manchmal sind es Menschen, die selbst in Trauer sind und hier gern mitarbeiten wollen.

Die eigene Trauer kann hier eher nicht bearbeitet werden. Missionieren geht auch nicht.

Hast Du noch Kolleg_innen, die auch in der Koordination arbeiten oder Dich in Deiner Arbeit unterstützen?

Meine Kollegin Jana Dahlmeier ist die Patin für Ehrenamtliche in der Patientenbegleitung und arbeitet diese auch hauptsächlich ein. Außerdem ist sie meine Vertretung, wenn ich nicht im Ricam bin. Unsere Absprachen treffen wir je nach Bedarf im laufenden Betrieb.

Wie arbeitest Du mit der Koordination des ambulanten Hospizes zusammen?

Wir „leihen“ uns manchmal gegenseitig ehrenamtliche Mitarbeiter_innen aus. Zum Beispiel, wenn wir für Patient_innen Sitzwachen einrichten müssen. Manchmal führen wir die Bewerbungsgespräche auch zu zweit, also jeweils eine Koordinatorin vom stationären und eine vom ambulanten Hospiz. Wir treffen uns auf verschiedenen Veranstaltungen und koordinieren die Ausbildung für ambulante Hospizmitarbeiterr_innen gemeinsam.

Um eine hohe Qualität in der Begleitung von schwerstkranken und sterbenden Menschen zu gewährleisten, wünschen wir uns, dass alle ehrenamtlichen Mitarbeiter_innen unsere eigenen Ausbildungs- und Fortbildungsangebote wahrnehmen.

Diese Ausbildung ist also nicht die Vorraussetzung, um ehrenamtlich im stationären Hospiz tätig zu sein. Welche Vorraussetzungen gibt es denn dafür?

Stimmt, die Ausbildung ist die Vorraussetzung für die ambulante Begleitung. Wenn jemand gern ehrenamtlich im stationären Bereich arbeiten möchte, dann gibt es dafür Einarbeitungstage.

Interessierte Menschen müssen eine Offenheit für das Thema Kranheit, Sterben und Tod mitbringen. Sie sollten aber nicht noch in einen tiefen, eigenen Trauerzustand sein. Dann ist es besser, noch etwas Zeit verstreichen zu lassen.

Teamfähigkeit ist wichtig und die Fähigkeit, sich zurück zu halten. Es geht darum, Menschen auf ihrem Wege zu begleiten, so wie sie es brauchen. Da gilt es, diese individuellen Wege zu respektieren und zu achten. Es braucht die Bereitschaft andere so anzunehmen wie sie sind. Wichtig ist auch die Reflexion der eigenen Grenzen und das rechte Maß zu finden. Freundlichkeit, respektvoller Umgang mit sich und anderen, zuhören können, Dinge geschehen lassen können, keinen Plan haben oder ihn auch loslassen zu können: all das sind gute Voraussetzungen um in einem Hospiz zu arbeiten.

Und eigentlich auch nur, ein gesunder Menschenverstand und das Herz am rechten Fleck.

Wichtig ist auch, dass ehrenamtliche Mitarbeiter_innen regelmäßig kommen können. Das geht leider oft nicht mit einem Vollzeitjob zusammen.

Wie sieht Dein Kontakt mit den ehrenamtlichen Hospizmitarbeiter_innen aus?

Es gibt viel Kontakt. Es gibt ganz unterschiedliche Situationen dafür.

Was bereitet Dir besondere Freude in Deiner Tätigkeit?

Jede_r bringt sich selbst mit und das passt oft so gut auf die Bedürfnisse und Persönlichkeiten von Patient_innen und Angehörigen. Das fügt sich auf wunderbare Weise zusammen.

Mich beeindruckt auch immer wieder die Zuverlässigkeit der ehrenamtlichen Mitarbeiter_innen. Das sie wissen, dass sie gebraucht werden, das sie sich als Mitarbeiter_innen sehen, ihre Empathie und der Mut, sich einzulassen.

Ich finde meine Kolleg_innen im Hospiz einfach prima. Ich habe so taffe, freundliche und interessante Menschen kennengelernt. Das ist auch an mich ein großes Geschenk, für das ich dankbar bin.