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Die Pflege im Ricam Hospiz

Jana, du arbeitest jetzt seit sechs Jahren und Du Florian, seit drei Jahren im Ricam Hospiz. Wie seit Ihr hierher gekommen?

Jana: Im Rahmen meiner Ausbildung zur Altenpflegerin habe ich vor neun Jahren ein halbjähriges Berufsanerkennung-spraktikum im Ricam Hospiz gemacht. Nach dem dritten Tag war mir klar, dass ich gern dort bleiben möchte. Das hat aber nicht sofort geklappt, weil keine Stelle frei war. Ich habe dann erst einmal nebenberuflich als Honorarkraft im Ricam gearbeitet und hauptberuflich als Altenpflegerin in einer WG für Demenzkranke. Nach ungefähr drei Jahren wurde dann eine Stelle im Ricam frei und ich habe dann im Hospiz angefangen.

Florian: Ein Bekannter hatte mir das Ricam empfohlen. Und zur selben Zeit wurde auch eine Stelle frei.

Wieso arbeitet ihr in einem Hospiz?

Florian: Während meiner Ausbildung zum Krankenpfleger hatte ich ein 6-wöchiges Praktikum in einem Hospiz. Damals war ich so von der Arbeit und der Leistung der Pflegekräfte begeistert, dass für mich klar war, dieses Arbeitsfeld könnte auch was für mich sein. Drei Jahre nach meinem Examen hatte ich das erste Mal in einem Kinderhospiz in Jerusalem für sieben Monate gearbeitet, danach wieder in Deutschland in einem Erwachsenenhospiz und bin immer noch dabei.

Jana: Ich bin mit dem Wunsch im Hospiz zu arbeiten in die Ausbildung gegangen. Ich habe als junges Mädchen mitbekommen, wie meine an Krebs erkrankte Großmutter im Pflegeheim gelebt und dann auch dort gestorben ist. Schon damals dachte ich, dass muss doch besser gehen. Wenn ich dann Berichte über Hospize und Sterbebegleitung im Fernsehen gesehen habe, hat mich das immer interessiert. Bei meinem ersten Tag im Praktikum hatte ich Angst und dachte mir auch: „was machst Du hier eigentlich?“ Aber das hat sich ganz schnell gelegt und heute weiß ich, dass es fast allen Praktikant_innen so geht.

Ich komme ja aus einem ganz anderen Berufsfeld, ich habe als Physikerin gearbeitet. Vor vielen Jahren habe ich dann meinen Beruf gewechselt und ich fühle mich sehr wohl mit dieser Entscheidung. Die Arbeit im Hospiz entspricht mir und meinen Wünschen an Berufstätigkeit sehr, ich fühle mich da sehr zuhause.

Jana, Du ist ja auch für die Einarbeitung der ehrenamtlichen Hospiz-mitarbeiter_innen zuständig. Was passiert da?

Im Pflegeteam sind wir vier Kolleg_innen für die Einarbeitung von ehrenamtlichen Hospizmitarbeiter_innen und Azubis. Ich arbeite nur die ehrenamtliche Hospizmitarbeiter_innen ein und die anderen drei Kolleg_innen übernehmen die Einarbeitung der Azubis. Das bedeutet, das ich die neue Mitarbeiter_in in meinen Arbeitsalltag mitnehme. Sie läuft sozusagen mit mir mit, geht mir zur Hand und lernt dabei wie wir im Hospiz arbeiten. So eine Einarbeitung dauert drei Tage in kurzen Zeiträumen und dann noch einmal acht wöchentliche Termine mit professioneller Einarbeitung vom Pflegepersonal.

Die ehrenamtlichen Hospiz-mitarbeiter_innen sind zwar nicht für die Pflege zuständig aber es ist immer gut, wenn sie wissen, wie die Pflege im Hospiz gemacht wird. Diese Einarbeitungszeit machen auch alle Personen, die an der Ausbildung zur_m ehrenamtlichen Hospizmitarbeiter_in teilnehmen.

Was ist für Euch das Besondere im Hospiz?

Florian: Die Möglichkeit sterbenskranke Menschen in ihrem letzten Lebensabschnitt zu begleiten und dabei individuell jeden Gast und seine Angehörigen die schreckliche Situation so angenehm wie möglich zu gestalten. So dass jeder Gast nach der Tortur der vorangegangenen Krankenhausaufenthalte zur Ruhe kommen kann.

Jana: Es gibt einerseits feste Strukturen und gleichzeitig ein hohes Maß an Einfühlung und Improvisation. Das Individuelle, Unterschiedliche ist sehr wichtig im Hospiz. Jeder Tag ist ganz unterschiedlich, weil auch die Menschen so unterschiedlich sind. Das macht auch mich empfindsamer für Kleinigkeiten, für das Besondere im Leben.

Ich empfinde es als ein großes Geschenk in so viele Leben rein gucken zu dürfen, teilhaben zu können.

Das ist ein großer Unterschied zur Dementen-WG, in der ich davor gearbeitet habe. Da passt der Satz: „täglich grüßt das Murmeltier.“ Da gab es kaum Zeit auf die individuellen Bedürfnisse der Bewohner_innen einzugehen. Der .Personalschlüssel war sehr viel schlechter und wir mussten viel mehr Dinge machen. Wie zum Beispiel Wäschen waschen, kochen, einkaufen gehen, zum Arzt gehen usw. Auch die Dokumentation war viel aufwändiger. Da blieb wenig Zeit für den Kontakt mit den Menschen.

Im Hospiz ist das anders. Wir sind für die Pflege und für die Gespräche da. Die Ärzte kommen ins Haus und und es gibt die Möglichkeit mit den Ärzten rund um die Uhr zu kommunizieren. Das Ricam hat eine eigen Küche und Köch_innen, die täglich kochen. Wäsche waschen die Angehörigen, und auch die notwendige Dokumentation ist für alle Hospize standardisiert und dadurch nicht so aufwändig.

In der Pflege müsst Ihr ja im Drei-Schicht-System arbeiten. Wie geht es Euch damit?

Jana: Ich arbeite meistens im Spät- und Nachtdienst. Das sind meine Lieblingsschichten und darauf wird auch bei der Schichtplanung Rücksicht genommen.

Florian: In meinem Fall muss ich sagen, habe ich das Glück meistens Frühdienste und im Schnitt fünf Nächte im Monat zu haben. Ansonsten ist das Arbeiten an Wochenenden, an Feiertagen und in der Nacht auf alle Fälle nicht immer leicht.

Wie sieht so ein typischer Tag in der Pflege aus?

Florian: Ein typischer Tag im Hospiz sieht so aus, dass ich egal in welcher Schicht zuerst schaue, welcher Gast was benötigt. um sich wohl zu fühlen. Wie ich mich zu verhalten habe, dass alle von mir betreuten Menschen beschwerdefrei sein können. Und ich versuche jedem Gast, dessen Wünsche zu erfüllen.

Jana: Eine Schicht beginnt mit der Übergabe am Bett der Patientin. Da berichtet dann der Frühdienst, wie der Tag bisher war, welche Medikamente verordnet sind, ob es etwas Besonderes gab usw. Außerdem sieht so der Patient, wer jetzt in der neuen Schicht da ist. Im Ricam Hospiz gibt es die Bezugspflege. Das bedeutet, das wir nur fünf bis sieben Patient_innen begleiten und pflegen. Das bedeutet für alle, Patient_innen und Pflegende, dass wir einen näheren Kontakt haben können.

Zweimal in der Woche gibt es eine Übergabe im Besprechungszimmer mit dem gesamten Team. Da treffen sich dann die Pflegepersonen, die Musiktherapeutin, der Sozialdienst und die Geschäftsführerin.

Nach der Übergabe werden dann die Medikamente gegeben, Verbände gewechselt, gelagert, eventuell beim Waschen geholfen, Frühstück oder Kaffee und Kuchen gebracht, je nachdem, was gerade so ansteht. Es gibt auch Zeit für Gespräche, auch mit den Angehörigen und zur Begleitung zu Veranstaltungen im Hospiz. So haben wir zweimal in der Woche ein Cafe mit Musik in unserem Wintergarten oder auf der Terrasse.

Die ehrenamtlichen Mitarbeiter_innen melden sich auch bei uns und sprechen mit uns ab, was zu tun ist bzw. zu welcher Person sie gehen.

Seid Ihr oft dabei, wenn jemand im Hospiz stirbt?

Jana: Nein, so häufig kommt das nicht vor. Auch Angehörige sind nicht so oft dabei. Oft sterben Menschen, wenn ihre Angehörigen mal auf die Toilette gehen. Manchmal denke ich, dass viele Menschen in diesem Moment allein sein möchten. Aber das kann ich auch nicht mit Sicherheit sagen.

Es gibt zwar Anzeichen für ein baldiges Sterben, aber diese sind trotzdem noch sehr unterschiedlich. Wie und wann jemand stirbt, kann nie genau gesagt werden. Wenn wir vermuten, dass es bald soweit ist, dann gehen wir sehr oft ins Zimmer, um zu schauen, ob die Patientin etwas benötigt und wie es ihr geht. Deshalb sind auch wir häufig die ersten, die feststellen, dass jemand verstorben ist.

Florian: Ich glaube, im direkten Moment des Versterbens vielleicht im Durchschnitt ein bis zweimal im Monat. Mal mehr, mal auch ein Monat gar nicht.

Was macht Ihr, wenn jemand verstorben ist?

Jana: Zuerst einmal Ruhe im Zimmer, nicht am verstorbenen Menschen rumzuppeln. Dann verständige ich die Angehörigen und den Arzt oder die Ärztin. Stelle Blumen und eine Kerze vor das Zimmer. Im Ricam Hospiz machen wir das als Zeichen dafür, dass in diesem Zimmer jemand verstorben ist. Mit einer_m Kolleg_in versorgen wir die verstorbene Person. Ziehen Ihr Kleidung an, die sie sich gewünscht hat, entfernen die Klingel oder sonstige medizinische Hilfsmittel und dekorieren das Zimmer und das Bett mit persönlichen Sachen.  Dann kommen oft die Angehörigen und gemeinsam nehmen wir Abschied. Ich versuche, Angehörige dazu zu bewegen noch einmal in den Raum zu gehen um Abschied zu nehmen. Oft gibt es da erst einmal eine Scheu aber in der Regel ist es dann sehr gut und berührend für die Angehörigen, diesen Schritt gemacht zu haben.

Wenn eine Person verstorben ist, während ich nicht im Hospiz war, dann gehe ich auch gern zu Beginn meiner Schicht in das Zimmer um selbst Abschied zu nehmen.

Florian: Zuerst mache ich das Fenster auf damit die Seele, so stelle ich es mir vor, auch frei sein kann. Halte dann am Bett für mich allein eine Minute Ruhe und Schweige. Die Trauerbegleitung der Angehörigen, die Totenwäsche des Leichnams und Umkleiden folgen dann ganz den Umständen. Weitere Rituale, wie Kerze und Blumen vors Zimmer, und das Herrichten des Zimmers, so das sich trauernde Angehörige im Zimmer beim Verstorbenen verabschieden kann.

Welche Herausforderungen hat die Arbeit im Hospiz für Euch?

Florian: Die Herausforderung an der Arbeit im Hospiz ist es jedem Gast in seinem/Ihrem letzten Lebensabschnitt so zu begleiten dass der Aufenthalt trotz der schwierigen Umstände auch als angenehm wahrgenommen wird. Das auch Angehörige das Gefühl haben, in der einmaligen Situation Hilfe und Beistand zu bekommen. Unterstützung zu leisten, damit der Gast in Ruhe, schmerzfrei und ohne Belastungen sterben kann.

Jana: Ich denke, da hat jede_r Kolleg_in ihre/seine eigenen Grenzen. Bei mir sind es bestimmte Krankheitsverläufe, wie zum Beispiel verbluten, die mir zu schaffen machen. Schwierig sind für mich auch Patient_innen, die sehr aggressiv sind. Aber da ist gut, dass wir ein Team sind und uns gegenseitig unterstützen. Im Ricam Hospiz ist ein sehr kollegiales Klima anzutreffen, die Kolleg_innen achten aufeinander, das ist sehr angenehm.

Ihr habt auch regelmäßig Supervision. Was passiert da?

Jana:  Einmal im Monat treffen wir uns für ca. zwei Stunden mit unserer Supervisorin. Je nach Schichtplan sind wir dann zwischen drei und sechs Kolleg_innen. Wir haben einen gemeinsamen Themenplan für die Treffen. Es geht viel um Gruppenprozesse und Teamarbeit.

Wie sorgt Ihr gut für Euch? Wo tankt Ihr auf?

Jana: Ich lese gern, gehe spazieren und erfreue mich an meinen Haustieren. Aber auch die Arbeit im Hospiz gibt mir immer wieder Kraft.

Florian: Bei meiner Freundin und unserem Sohn, Familie und Freunden, beim Malen, Musizieren, Reisen….

Vielen Dank dafür, dass Ihr Euch Zeit für dieses Gespräch genommen habt. Das Gespräch führte Vera Riesenfeld.