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Die Dinge sehen wie sie sind. Vipassana Kurs

Bei der Ankunft gebe ich alles ab, was mich ablenken könnte: Bücher, Musik, Handy aber auch mein Pass, mein Geld und die Autoschlüssel wandern in den Sack mit Wertsachen. Ablenkung und die Versuchung, ohne Absprache abzuhauen, soll minimiert werden. Ich bekomme mein Zimmer und mein Bett zugewiesen. En wenig Zeit bleibt mir noch, die Räumlichkeiten anzusehen, meine Sachen auszupacken und ein paar Worte mit meiner Zimmergenossin auszutauschen. Dann beginnt die erste Meditation und damit auch die Zeit der „edlen Stille“. Ab jetzt werde ich nicht mehr reden und auch sonst in keiner Weise mit den Anwesenden kommunizieren. Ab jetzt begebe ich mich für zehn Tage auf ene Reise zu mir selbst.

Die ersten drei Tage sind dem Ankommen und der Beruhigung des Geistes gewidmet. Wir üben uns in Anapana, der Beobachtung des Atems in und an der Nase. Ich spüre deutlich, mit wie voll mein Kopf mit Gedanken, Ideen und Unruhe ist. Ständig schweife ich ab, verliere mich in Bildern und Gefühlen, mich packt Unruhe und Ungeduld und ich warte die ganze Zeit auf das Ende der Meditationszeit oder der Pause. Ich bin immer schon „dort“ in der Zukunft, am Ende der Meditationszeit oder Pause und nie „hier“ bei dem, was ich gerade tue. Es dauert zwei Tage bis mein Geist ruhiger wird und ich im „hier“ ankomme. Am dritten Tag gibt es sogar kleine Augenblicke von vollständiger Ruhe, reiner Beobachtung. Dabei fühle ich mich sehr zufrieden, wunschlos, irgendwie angekommen.

Am vierten Tag beginnen wir mit Vipassana: Der Einsichtsmeditation. Wir sollen am eigenen Körper erfahren, dass sich ausnahmslos alles im Fluss der Vergänglichkeit befindet, Leid durch Festhalten (Anhaften) an Ärger, Zorn, Aversionen oder Angenehmen entsteht und das wir nicht unsere Gefühle oder Körperwahrnehmungen sind. Wir sollen durch Vipassana lernen, uns nicht mit den vergänglichen Phänomenen zu identifizieren und wir üben, Gleichmut zu entwickeln. Um dies zu erreichen, wandern wir mit unserer Aufmerksamkeit Stück für Stück durch unseren Körper.

Mir fällt es leicht, mit meiner Aufmerksamkeit durch meinen Körper zu wandern. Es geht wie von selbst. Doch völlig unerwartet treten starke Rückenschmerzen und Krämpfe auf. Zuerst ängstigt mich das sehr aber im Laufe der Zeit fange ich an damit zu arbeiten. Meine Körperempfindungen zu beobachten und wahrzunehmen, welche emotionale Ladung diese Empfindungen haben. In den nächsten Tagen gehe ich durch viele Gefühlswelten und einige Aha Erlebnisse. Ich lerne Einiges über mich.

Am zehnten Tag geht der Kurs allmählich seinem Ende zu. Zur Mitagszeit praktizieren wir gemeinsam unsere erste Metta Meditation (liebende Güte) des Kurses. Es geht darum, die Haltung der liebenden Güte in sich selbst zu entwickeln und mit allen Lebewesen zu teilen. Mit den Worten: „Möge ich befreit sein von allen Ärger, Zorn und Aversionen“ begann diese erste Metta Meditation des Kurses. Was für ein wohltuender Wunsch. Habe ich doch in den zehn Tagen häufiger gespürt, wie viel Leid ich mir selbst zufüge, wenn ich an Ärger oder Zorn festhalte. Situationen, die nur fünf Sekunden dauern, beschäftigen mich den ganzen Tag. Gleichzeitig trübt dieses Festhalten meinen Kontakt zu Anderen. Mich berührte dieser erste Satz sehr.

Nach dieser Meditation wurde die „edle Stille“ aufgehoben. Wir gingen aus der Meditationshalle und durften wieder sprechen. Mir fiel das zunächst sehr schwer und ich war mir gar nicht sicher, wie sehr ich aus meiner Versenkung heraus wollte. Ganz vorsichtig und allmählich nahm ich Kontakt zu den Anderen auf. Es wurde deutlich, dass jede_r während des Kurses eine ganz eigene Reise gemacht hat und an ganz unterschiedliche Stationen gekommen ist. Trotz dieser Unterschiedlichkeit haben alle viel über sich erfahren und auch viel Kraft aus dieser Zeit geschöpft.

Für mich war das eine sehr wertvolle Zeit und ich habe vor, mir auch in Zukunft ab und zu eine Reise zu mir selbst zu gönnen. Übrigens gönnen: Die Kurse finanzieren sich durch Spenden von Meditierenden, die mindestens schon einen Kurs gemacht haben.

Information und Anmeldung: http://www.dvara.dhamma.org/