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Take care! Auf dem Weg in eine fürsorglichere Gesellschaft?

Eines steht fest: ein Tabu im eigentlichen Sinn besteht nicht mehr für die Themen Krankheit, Sterben Tod und Trauer. Gesundheitswesen, Politik, und Medien beschäftigen sich damit. Auch jeder einzelne sieht für sich den mahnend erhobenen Zeigefinger – schon aus Vorsorgegründen. Gerade erst ist in einem ernsten ethischen Diskurs der hohe Stellenwert von Selbstbestimmung – auch am Lebensende – als wichtiges ethisches Prinzip in Rechtsprechung und Praxis anerkannt worden. Ende Mai beriet der Deutsche Ärztetag darüber, wie eine Palliativversorgung aussehen muss, die sich nach den tatsächlichen Bedürfnissen unheilbar kranker und sterbender Menschen richtet.

Wie vorstellbar – und wie sympathisch – ist uns überhaupt eine fürsorgliche Gesellschaft? Wie kann man es akzeptieren, selbst Gegenstand von Fürsorge zu sein? Und wie und unter welchen Umständen ist es möglich, zu helfen? Nicht zufällig ist Burn Out ein häufiges Schicksal in helfenden Berufen. Engagement für Sterbende wird von Außenstehenden oft mit dem Hinweis quittiert, dass die Zone der professionellen Distanz verlassen wird.

Marianne Rabe und Theda Rehbock sprechen in ihrem Beitrag von den Bedingungen gelingender
professioneller Fürsorge. Über die Biologie der Fürsorge schreibt Stefan Klein. Ein soziales Netz, Teilen und Zusammenarbeiten überwinden die Grenzen der eigenen Person. Kosten-Nutzen-Abwägung bestimmt nicht die und Palliative Care nun sogar ein Erfolgsmodell der Evolution zu sein. Im Gespräch mit der Psychoonkologin Heike Lampe wird deutlich, wie viel Wertschätzung sich zwischen den Berufsgruppen in der Palliative Care ausbildet. Niemand nimmt sich selbst besonders wichtig und glaubt fast, dass die eigene Rolle entbehrlich werden kann. Das Zusammenspiel von verschiedenen Akteuren, die zwar kooperieren aber doch eine hochspezialisierte eigene Fachlichkeit besitzen, ermöglicht einem Team jedoch die größte Kraft. Sind wir denn nun auf dem Weg in eine fürsorglichere Gesellschaft?

Von der Beharrlichkeit der Menschen, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, Sterbende und ihre Angehörigen nicht allein zu lassen, Worte zu finden für Unaussprechliches, sich gegen
unmenschliche Normen stark zu machen, geht eine große Kraft aus. Die Prinzipien von Palliative
Care, die zunächst als Störung im Medizinbetrieb wirkten und sogar so gedacht waren, werden schon lange nicht mehr nur auf die Betreuung von Sterbenden bezogen. Beispiele dafür, dass sich der Medizinbetrieb neu orientiert hat und den ganzen Menschen mit seiner Lebenssituation und Lebensweise in den Blick nimmt, sind die Geriatrie oder die Behindertenhilfe. Das Bild, das Helfer vom Menschsein haben, wird neu zusammengesetzt. Das Einzigartige, die „Glorie“ der Hospizidee verblasst so langsam und kommt in guter Gesellschaft an.

Ihre Dorothea Becker
Herausgeberin